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Rätekommunist*innen

Aufgeblättert: »Biografisches Lexikon des deutschen Rätekommunismus 1920–1960«

Von Peter Nowak

Europa den Räten«, lautete 2023 der Titel einer Tagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Dort ging es allerdings um die Wahl zum Europarat. Mit der historischen Strömung des Rätekommunismus hatte sie wenig zu tun. Wer sich darüber genauer informieren will, sollte zum »Biografischen Lexikon« greifen, in dem über 600 Personen aufgeführt sind, die zumindest zeitweise mit der rätekommunistischen Bewegung in Kontakt standen. Es ist ein historisches Nachschlagewerk, das zum weiter recherchieren einlädt. Das ist auch deshalb empfohlen, weil manche Einträge doch hinterfragt werde sollten. So wird bei der Biografie des Anarchisten Wilhelm Paul behauptet, er habe 1932 als Delegierter der Antifaschistischen Aktion verhindern können, »dass die stalinistische KPD einige Nationalsozialisten in den Vorstand der Erwerbsrosenbewegung einschleuste«. Zu dieser Behauptung fehlt jeder Beleg.

Beim Stöbern erstaunt, dass für viele die rätekommunistische Phase eine kurze politische Episode war. Nicht wenige wurden später SED-Mitglieder. Andere wurden schnell wieder aus der Partei ausgeschlossen und in der DDR verfolgt. Manche setzten ihre politische Arbeit auch in der SPD fort, wie der in den 1970er Jahren bekannte Kreuzberger Bezirksstadtrat Erwin Beck. Andere starben in Gefängnissen und Konzentrationslagern des NS-Regimes wie der Publizist und Mitbegründer der KAPD Alexander Schwab. Andere wurden Opfer der stalinistischen Repression in der Sowjetunion. So ist das Lexikon auch ein Stück Gedenk- und Erinnerungsarbeit.

Philippe Bourrinet: Biografisches Lexikon des deutschen Rätekommunismus 1920-1960. Verlag Die Buchmacherei, Berlin 2023. 300 Seiten, 18 EUR.