Alltag in Rojava
Aufgeblättert: »Land der Utopie?« von Christopher Wimmer
Von Lukas Spelkus
Wie steht es um die Gesellschaft in Nord- und Ostsyrien zehn Jahre nach der ›Rojava-Revolution‹?« – mit dieser Frage beschäftigt sich Christopher Wimmer in seinem neuen Buch. Es ist kein klassisches Sachbuch, sondern eine Mischung aus Reportage und Analyse. Denn Wimmer hat die Region 2022 besucht und dort rund 50 Menschen interviewt. Auf diese Weise bekommen die Leser*innen erstaunlich detaillierte Impressionen vom Alltag in Nord- und Ostsyrien. Dabei hat das Buch mehr zu bieten, als der Titel verspricht. Am Anfang steht eine relativ kurze, aber treffende historische und politische Einordnung, die das Buch auch ohne große Vorkenntnisse verständlich macht. Dann geht es ans Eingemachte: Es werden Einblicke in nahezu alle politischen und gesellschaftlichen Bereiche der Selbstverwaltung gegeben. Diese Themenvielfalt macht unter anderem den Reiz des Buches aus. Dazu kommen die Erfahrungen des Autors auf der einen sowie zahlreiche Zitate der Interviewpartner*innen auf der anderen Seite, die dem Buch eine persönliche Note verleihen – obwohl der Autor größtenteils sachlich bleibt. Seine Herangehensweise ist kritisch-solidarisch. Wimmer romantisiert Rojava – im Gegensatz zu vielen anderen Autor*innen – nicht zur perfekten, befreiten Gesellschaft, sondern schildert die alltäglichen Probleme und Widersprüche, erkennt dabei aber all die Errungenschaften an. Das Buch ist gut lesbar und bietet einen spannenden Eindruck von einer Gesellschaft, die für viele Menschen hierzulande nur eine ferne Utopie ist.
Christopher Wimmer: Land der Utopie? Alltag in Rojava. Nautilus, Hamburg 2023. 272 Seiten, 20 EUR.