Ein deutscher Kommunist
Aufgeblättert: Walter Ulbricht von Ilko-Sascha Kowalczuk
Von Sebastian Klauke
Der vorliegende Band ist der erste einer zweiteiligen Biografie; die voraussichtlich ebenso umfangreiche Fortsetzung ist für das Frühjahr 2024 angekündigt. Der eigentliche Text umfasst 779 Seiten, auf den restlichen Seiten finden sich die verwendeten Quellen und Anmerkungen, das Literaturverzeichnis sowie ein Abkürzungs-, Orts- und Namensregister. Die Lektüre lohnt sich. Die Person Ulbrichts, der von 1950 bis 1971 an der Spitze des Zentralkomitees der SED stand und maßgeblich am Aufbau des Sozialismus in der DDR beteiligt war, wird umfassend dargestellt, und so manche Legende und übertriebene Darstellung – aus Ost wie West – wird genüsslich, meist mit wenigen Worten, zerpflückt. An allen heiklen Punkten seiner Darstellung, etwa in der Auseinandersetzung um das Wesen des Leninismus oder bei der Darstellung der Entwicklung der KPD, legt der Autor seinen Standpunkt klar und deutlich dar, so dass eine Diskussion immer möglich ist; nicht allen politischen Urteilen und Analysen mag man so folgen – näheres bleibt den Fachdiskussionen überlassen. Der Umfang der ausgewerteten Archivalien und die Menge der zugrundeliegenden Literatur nötigt Respekt ab; diese Tiefe ist selten anzutreffen. Bisweilen sprachlich salopp, ist der Band gerade wegen seiner transparenten Gliederung gut lesbar. Haltlose Spekulationen bleiben außen vor, mangelnde Quellenlage wird als solche benannt. Das Buch reiht sich ein in die seit Jahren anhaltende Welle gelungener linker Biografien. Die Vorfreude auf den zweiten Band ist groß.
Ilko-Sascha Kowalczuk: Walter Ulbricht. Der deutsche Kommunist (1893-1945). C. H. Beck, München 2023. 1006 Seiten, 58 EUR.