Vor der COP28: Sind Massenblockaden der richtige Weg?
Von Fabian Westhoven
Von »eklatanter Heuchelei« sprach ein Vertreter des Climate Action Network, dem mehr als 1900 Klimaschutzorganisationen aus rund 130 Staaten angehören. Was ihn so auf die Palme brachte, war ein Bericht, an dem das UN-Umweltprogramm Unep beteiligt war. Zentrales Ergebnis des sogenannten Production Gap Reports: Die geplanten Fördermengen von Kohle, Öl und Gas bis 2030 liegen beim Doppelten dessen, was mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens vereinbar ist. Selbst das Zwei-Grad-Ziel ist mit den aktuellen Planungen bei weitem nicht erreichbar.
UN-Generalsekretär António Guterres kommentierte: »Die Regierungen verdoppeln buchstäblich die Produktion fossiler Brennstoffe, das bedeutet doppeltes Ungemach für die Menschen und den Planeten.« Es sei unmöglich, die Klimakatastrophe zu bewältigen, ,ohne ihre Ursache zu bekämpfen, nämlich die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.
Was laut den Autor*innen des Reports nötig wäre, ist der vollständige weltweite Ausstieg aus der Kohle bis 2040 und eine Reduzierung der Öl- und Gasproduktion und -nutzung um mindestens drei Viertel bis 2050 gegenüber dem Stand von 2020. Doch es passiert das Gegenteil. Gleichzeitig präsentieren sich führende Industriestaaten als Vorreiter in Sachen Klimaschutz. Auch Deutschland.
Die Aktivist*innen in den Niederlanden hatten Erfolg – zumindest laut Parlamentsbeschluss: Die fossilen Subventionen sollen abgeschafft werden.
Der UN-Report wurde nicht zufällig wenige Woche vor dem Beginn der nächsten Weltklimakonferenz, der COP28, Ende November in Dubai veröffentlicht. Auf dieser wird jenseits wohlklingender Worte kaum etwas zustande kommen. Zwar hatten sich die Staaten auf der Klimakonferenz in Glasgow vor zwei Jahren dazu verpflichtet, ihre Bemühungen um den »schrittweisen Ausstieg aus der ungebremsten Kohleverstromung und die Beendigung ineffizienter Subventionen für fossile Brennstoffe« zu beschleunigen. »Ungebremst« und »ineffizient« bieten jedoch Schlupflöcher. Entsprechend gibt es keine konkreten Ziele, und das Thema wurde in den darauffolgenden Jahren ausgeklammert. Die letzte Konferenz im ägyptischen Sharm el-Sheikh nannte der Ökosozialist Daniel Tanuro eine »Handelsmesse« für fossile Investoren (ak 686). Mehr als 600 Delegierte waren von der fossilen Industrie entsandt worden. Appelle, dass diesen jetzt der Zugang in Dubai verwehrt wird, sind kaum mehr als ein netter Versuch. Bekanntlich wird die COP28 von Sultan Ahmed al-Jaber geleitet, dem CEO der staatlichen Ölgesellschaft der Vereinigten Arabischen Emirate.
Nachvollziehbar, dass sich die Klimagerechtigkeitsbewegung daher von den UN-Konferenzen nichts mehr verspricht: Auf diese sei kein Verlass, sagte Greta Thunberg, das Gesicht von Fridays for Future kürzlich. Und wörtlich: »Die Fossilindustrie hat die Prozesse gekapert und diktiert, wo es langgeht.« Aber was ist die Alternative?
Massenblockaden von Autobahnen werden nach dem Erfolg in den Niederlanden als positives Beispiel diskutiert. Dort hatten Aktivist*innen, meist von Extinction Rebellion, tagelang eine wichtige Verkehrsverbindung, die Stadtautobahn in Den Haag, blockiert. Ihre Forderung: Die niederländische Regierung soll ihre Subventionen an die fossile Industrie – immerhin nach einer Schätzung knapp 40 Milliarden Euro pro Jahr – stoppen. Die Aktivist*innen hatten Erfolg – zumindest laut niederländischem Parlamentsbeschluss. Sollte dem bis Weihnachten nichts Konkretes folgen, wird weiter blockiert, sagte im Oktober ein Aktivist auf dem ersten Weltkongress für Klimagerechtigkeit in Mailand.
Angesichts dessen, dass die Massendemonstrationen der Fridays wenig gebracht haben und die täglichen Klebeaktionen der Letzten Generation auch nicht viel mehr, ist dies durchaus ein vielversprechender Ansatz. Ob er aber auch in anderen Ländern Schule machen kann, bleibt abzuwarten. In Berlin fand zwar bereits ein Massenblockade-Versuch der Straße des 17. Juni statt, weitere sind geplant. Aber der Unterschied zu den Niederlanden ist: Dort gingen die Aktivist*innen täglich auf eine wichtige Verkehrsverbindung, 27 Tage hintereinander. Davon scheint die Klimabewegung hierzulande noch etwas entfernt zu sein. Aber das niederländische Beispiel macht Hoffnung. Was bleibt der Klimagerechtigkeitsbewegung auch anderes übrig, wenn immer mehr Berichte vom zerstörerischen Kurs der Staaten und dem fossilen Kapital zeugen?