Thermodynamik, Energie und Kraft
Aufgeblättert: »Karl Marx über Technologie und Entfremdung« von Amy E. Wendling
Von Sebastian Klauke
Das Thema Entfremdung ist bei Marx keineswegs erschöpfend behandelt, wie der vorliegende Band – ein weiteres Beispiel für die gelungene Theorie-Reihe des Dietz-Verlags, die vor allem Übersetzungen aus dem englischsprachigen Raum präsentiert – eindrucksvoll zeigt. Anhand von Marx‘ Ökonomisch-Philosophischen Schriften, den Grundrissen und dem ersten Band des Kapitals skizziert Amy E. Wendling, aus welcher Perspektive sich Marx den Fragen von Entfremdung, Maschine/Maschinerie und Technik/Technologie und damit unmittelbar verbunden der Arbeit unter kapitalistischen Bedingungen widmet. Dabei spielt auch sein Naturbegriff eine wesentliche Rolle. Wendling koppelt die Entwicklung der Marxschen Betrachtungsweise an die zeitgenössischen wissenschaftlichen Debatten um Thermodynamik, Energie und Kraft und zeigt, welche Positionen Marx sich hier (kritisch) angeeignet und immer wieder revidiert hat. Einmal mehr wird deutlich, wie intensiv Marx die Wissenschaft seiner Zeit verfolgte, wie komplex sein Werk ist und wie sehr er mit seinen Erkenntnissen rang. Zugleich zeigt es für unsere eigene Gegenwart, wie grundlegend wichtig es für die Linke ist, weder in eine generelle Technikfeindlichkeit noch in eine grenzenlose »Technophilie« zu verfallen. Wendling bietet keine konkreten (politischen) Vorschläge, aber einen guten Ausgangspunkt für eigene Überlegungen. Eine ebenso aufschlussreiche wie anregende Lektüre.
Amy E. Wendling: Karl Marx über Technologie und Entfremdung. Dietz, Berlin 2022. 271 Seiten, 29,80 EUR.