Die Karten werden neu gemischt
Die sich seit Jahren in Selbstblockade befindende Linkspartei ist in Bewegung geraten
Von Sebastian Bähr
Der Parteivorstand von Die Linke hat jüngst beschlossen, dass es keine Zukunft mehr mit Sahra Wagenknecht geben wird. Eine schnelle Klärung ist damit nicht erreicht: Die Bundestagsabgeordnete wird ihr Mandat nicht abgeben, auch werden ihre Mitstreiter*innen vorerst weiter die Ressourcen der Partei für ihr Konkurrenzprojekt nutzen. Eine offene Frage ist, wie viel Kontrolle der Vorstand noch über die Ressourcen-stärkere Bundestagsfraktion besitzt. Der ehemalige Wagenknecht-Verbündete und Fraktionschef Dietmar Bartsch hatte sich interessanterweise hinter den Beschluss gestellt – seine Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali dagegen Kritik geäußert. Alle Mandatsträger*innen sind nun gezwungen, Stellung zu beziehen. Die Kämpfe um die Parteistrukturen gewinnen an Fahrt, eine Spaltung ist wahrscheinlich geworden.
Die Perspektiven scheinen nur bedingt optimistisch: Langfristig wird es keinen Platz für zwei linke Parteien neben SPD und Grünen geben. Ein alleiniger Erfolg der Liste Wagenknecht würde wiederum vor allem rechte Themen in der öffentlichen Debatte stärken; der entsprechende permanente konservative Kulturkampf die Arbeiter*innenklasse noch weiter spalten. Die dritte Option wäre, dass die Restlinke sich nach Tiefschlaf und Tiefschlag aufrafft und erneuert. Hier ist der Ausgang jedoch ungewiss. Auch nach einem Weggang von Wagenknecht muss der Rest der Partei nach Wegen zu suchen, wie man Abgehängte, Nichtwähler*innen, Unzufriedene und Menschen mit widersprüchlichen Positionen erreicht und aus der eigenen Blase herauskommt – eben diesmal mit klar linkem Programm und ohne Ressentiments zu bestätigen. Dazu gibt es auch weiterhin ungeklärte strategische wie inhaltliche Fragen. Wie gut es gelingt, diese gemeinsam mit Verbündeten zu klären, und dann auch mit den Ergebnissen durchzudringen, ist essenziell.
Die außerparlamentarische Linke ist bei all dem mehr als nur Zaungast. Ob Corona oder Ukraine-Krieg – die Konflikte der Partei spiegeln sich ebenso in der radikalen Linken. Ein nicht geringer Teil der Aktivist*innen nutzt zudem die Ressourcen der Partei und auch den Resonanzraum ihrer Politiker*innen. Das Fehlen einer handlungsfähigen Die Linke wird ebenso die Schlagkraft der Bewegungen schwächen. Auch kann davon ausgegangen werden, dass Teile der radikalen Linken jeweils in beide Parteienprojekte Hoffnungen setzen und sich dort einbringen werden. Im schlechtesten Fall bekämpfen sich alle gegenseitig – bis zur vollkommenen Bedeutungslosigkeit. Die entscheidende Frage bleibt, wie in dem knappen Zeitfenster, das inmitten dieser ernsthaften Krisenphase noch gegeben ist, reale gesellschaftliche Gegenmacht aufgebaut werden kann. Ob im Parlament oder auf der Straße – es braucht bei allen linken Kräften Prozesse, um die Handlungsfähigkeit zurückzuerlangen.