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Grenzenlose Abwehr

Die EU will die Einreise Geflüchteter unmöglich machen, dagegen braucht es Solidarität

Von Jasmin Asaad

Im Abendlicht ein Zaun mit Stacheldraht, rechts daneben auf einem Weg zwei Soldaten im Hintergrund Bäume und Autos.
Das soll die Grenze Europas nur noch ausmachen: Zäune. Foto: Bőr Benedek photo/Flickr, CC BY 2.0

Die EU-Innenminister*innen haben sich am 8. Juni in Luxemburg nach Jahren der Verhandlungsstarre auf wesentliche Punkte zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) geeinigt. Die Zustimmung zur Asyl- und Migrationsmanagementverordnung und der Asylverfahrensverordnung feierte die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) als historischen Erfolg. Historisch sind vor allem die massiven Einschränkungen der Rechte von Schutzsuchenden, die beschlossen wurden. Aus menschenrechtlicher Perspektive ist diese Einigung ein Desaster. 

Zentraler Streitpunkt zwischen den Mitgliedsstaaten war seit jeher die Verteilung von Schutzsuchenden in der EU. Durch die Dublin-III-Verordnung sind in erster Linie die Staaten an der EU-Außengrenze für die Asylverfahren zuständig, was zu einer Überlastung in den jeweiligen Staaten führt. Die neue Verordnung wird das nicht ändern. Abhilfe soll ein Verteilungsmechanismus schaffen. Wer jedoch keine Geflüchteten aufnehmen will, soll stattdessen Geldzahlungen in die Geflüchtetenabwehr stecken, für jede nicht aufgenommene Person 20.000 Euro.

Aus menschenrechtlicher Perspektive ist diese Einigung ein Desaster. 

Die zweite zentrale Änderung betrifft die Grenzverfahren. Hier sollen die Ankommenden in Lagern festgesetzt – also faktisch inhaftiert werden, bis geklärt ist, ob ihr Asylantrag zulässig ist. Dies wird Antragstellende aus Staaten mit einer »niedrigen Anerkennungsquote« (unter 20 Prozent), jene aus »sicheren Herkunftsstaaten« sowie Personen, die über »sichere Drittstaaten« geflohen sind, betreffen. Dabei sind die Grenzverfahren nicht zu verwechseln mit herkömmlichen Asylverfahren, bei welchen Antragstellende ihre individuellen Fluchtgründe vortragen können. Mit den neuen Verfahren drohen eine formale Ablehnung des Asylantrags und die Abschiebung, ohne dass der Asylantrag inhaltlich geprüft wurde. Durch das rechtliche Konstrukt der »Fiktion der Nichteinreise» gelten die Menschen während dieser Zeit als »nicht eingereist«, obwohl sie sich auf europäischem Boden befinden. Dadurch können Verfahrensrechte, wie der Zugang zu einem Rechtsbeistand oder zu Rechtsmitteln, eingeschränkt werden. Ein faires Asylverfahren ist unter diesen Bedingungen nicht möglich.

Die EU-Innenminister*innen haben mit dieser Einigung rechte Forderungen erfüllt. Die EU senkt weiter die Standards in der Asylpolitik und kommt damit vor allem den Mitgliedsstaaten entgegen, die sich nicht mal an die minimalen Regeln zum Schutz Geflüchteter halten. Lager wie Moria werden damit nun auch offiziell zu einem Grundpfeiler der EU-Asylpolitik.

Dem Prinzip der Abwehr folgend, werden die neuen Beschlüsse die gewaltvollen Pushbacks an den Außengrenzen nicht unterbinden. Mitte dieses Monats ertranken bei einem Schiffbruch im Mittelmeer vermutlich mehr als 500 Menschen. Auch werden Schutzsuchende noch gefährlichere Fluchtrouten in Kauf nehmen, um sich den Grenzverfahren zu entziehen.

Noch ist die Reform nicht endgültig beschlossen. Es gilt, den rechten Narrativen und Desinformationen mit Fakten entgegenzutreten, denn diese Erzählungen sind die Begleitmusik der fortlaufenden Entmenschlichung der Grenzpolitik. Sollte das EU-Parlament zustimmen, muss den Regeln auch auf juristischer Ebene begegnet werden, Betroffene und kritische Jurist*innen sollten die vielfältigen Rechtsverletzungen anzeigen und skandalisieren. Es braucht eine starke europäische Zivilgesellschaft, die über den Tellerrand ihrer nationalstaatlichen Probleme blickt und gemeinsam, laut und tatkräftig den Diskurs hin zu einer solidarischen Aufnahme ebnet.

Der Sommer der Migration 2015 hat gezeigt, dass es auch hierzulande eine Bereitschaft gibt, gegen den rechten Diskurs zu handeln. Die vielen Initiativen, die sich damals gegründet haben, sind funktionierende und solidarische Projekte, die wissen, wie eine Aufnahme funktionieren kann. Sie müssen sich als Alternative zum herrschenden Grenzregime einbringen. Die antirassistischen Solidaritätsgruppen, die entlang der Balkanroute Geflüchtete begleiten und die Menschenrechtsverletzungen der EU dokumentieren, müssen mehr Unterstützung und Öffentlichkeit bekommen. Öffentlichkeit und solidarisches Handeln könnten das Europa der rassistischen Abwehr in einen Ort der Solidarität verwandeln.

Jasmin Asaad

ist Politikwissenschaftlerin und Referentin beim Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – BumF e.V. und arbeite bei dem Verein JUMEN e.V. – Juristische Menschenrechtsarbeit in Deutschland.

 

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