Ein Gemetzel
In »Succession« lassen die Serienmacher*innen ihrem Hass auf Reiche freien Lauf – das tut gut, aber etwas fehlt trotzdem
Von Jan Ole Arps
In den letzten Wochen, als alle über Mathias Döpfner, Benjamin Stuckrad-Barre und Julian Reichelt sprachen, habe ich leider gefehlt. Ich war zu beschäftigt, mich über ein anderes rechtes Medienimperium zu informieren: Waystar Royco. Der fiktive Konzern aus der HBO-Serie »Succession« mit Hauptsitz in New York betreibt mehrere große Fernsehsender – ihr Flaggschiff ist das Fox-News-Lookalike ATN –, Dutzende Zeitungen, Filmstudios, außerdem Freizeitparks und eine skandalumwitterte Kreuzfahrtabteilung. Der Patriarch an der Spitze ist der zu Serienbeginn 80-jährige Logan Roy (Brian Cox), ein brutaler, machtbesessener Selfmade-Kapitalist, dessen Figur eng an den Medien-Tycoon Rupert Murdoch angelehnt ist. Wie Murdoch verwickelt Roy seinen Nachwuchs in eine erbarmungslose Schlacht um die Nachfolge an der Unternehmensspitze, dabei hegt er gar nicht die Absicht abzutreten.
Roys Kinder sind ein Gruselkabinett aus der statusverwöhnten Superreichen-Bubble: Da ist der unfähige, manisch-depressive Kendall (Jeremy Strong), der unentwegt (natürlich erfolglos) versucht, den Respekt seines Vaters zu gewinnen; da ist Roman (Kieran Culkin), ein jeder auch nur entfernt an Arbeit erinnernden Aktivität abgeneigtes wandelndes Tourette-Syndrom; da ist die smarte, machtbewusste Siobhan (Sarah Snook), die zunächst als Kampagnenberaterin für eine Art Bernie-Sanders-Politiker arbeitet, aber eigentlich auch auf den Platz an der Spitze des Konzerns spekuliert – nur hat sie als Tochter die schlechtesten Karten. Und schließlich gibt es Connor (Alan Ruck), der sich zwar nicht für das Unternehmen interessiert, aber gern Präsident werden würde. Eine Handvoll Figuren aus dem inneren Kreis des Konzerns – vom Speichellecker Tom (Matthew Macfadyen) und seinem naiven Schützling Greg (Nicholas Braun) bis zur klugen ausführenden Managerin Gerri (J. Smith-Cameron) – runden den Cast ab.
Zwischen Metoo-Affären, Übernahmeschlachten und politischen Manövern hetzt Logan Roy seine Brut in ein erbarmungsloses Hauen und Stechen um seine Gunst.
Die Serie ist ein Panorama über Macht und toxische Familienbeziehungen: Zwischen Metoo-Affären, Übernahmeschlachten und politischen Manövern – in der dritten Staffel entscheidet Familienoberhaupt Logan, einen Faschisten ins Präsidentenamt zu hieven – hetzt Logan Roy seine Brut in ein erbarmungsloses Hauen und Stechen um seine Gunst, spielt sie gegeneinander aus, manipuliert – es ist ein Gemetzel. Dabei stemmt Logan sich selbst gegen den Untergang: Das Alter nagt an ihm, dem Unternehmen setzen nicht nur Skandale um sexuelle Managergewalt in der Kreuzfahrtabteilung zu (und ein Kulturwandel, bei dem diese Gewohnheiten plötzlich zum Problem werden), sondern auch die Tatsache, dass Waystar Royco ein Modernisierungsproblem hat. Das Imperium ist auf Fernsehsendern und Zeitungen aufgebaut, aber es gibt ja auch noch das Internet.
»Succession« muss von Menschen geschrieben worden sein, die Reiche hassen. Die Figuren sind rassistische, sexistische, der Realität entrückte Ekelpakete. Irgendwann beginnt man natürlich trotzdem, sie zu lieben. Besonders gelungen ist eine Folge aus der zweiten Staffel, in der die Roys auf eine andere Mediendynastie treffen – altes Geld, liberales New York –, mit der Absicht, sie zu übernehmen. Die grobschlächtigen Roys, die aus ihrer Verachtung für Wahrheit, gute Manieren und die eigenen Angestellten keinen Hehl machen, begegnen Menschen, die klassische Bildung und progressive Ansichten vor sich hertragen und die Machtgesten ans Personal mit freundlichen Worten verkleiden. Kotz! Dann lieber die unverhohlene Menschenverachtung der Roys, die ist wenigstens ehrlich. Weshalb diese auch beim Publikum ankommt, bringt Logan in der Serie auf den Punkt: Wir machen Nachrichten, die die Leute nicht von oben herab behandeln.
So wohltuend die Ausweidung der Superreichen anzusehen ist: Was bei »Succession« wie bei anderen Serien über die Klassengesellschaft aus den letzten Jahren auffällt, ist, dass sie die brutalen Verhältnisse stets von einem Standpunkt der Ohnmacht betrachten. Ja, die Reichen sind grausam, ja, auch die Mächtigen können scheitern, aber wenn der alte Kapitalist untergeht, wird sein Kadaver von den Monstern gefressen, die er erschaffen hat. Gerechtigkeit ist ausgeschlossen.
So steht uns, wie ich gehört habe, in der aktuellen vierten (und letzten) Staffel der Tod des Patriarchen bevor. Die Frage der Nachfolge wird endlich beantwortet werden müssen. Das unentrinnbare Ende des Königs ist die einzige Chance auf Genugtuung; dass sich am System etwas ändert: unvorstellbar. Dabei bräuchten wir Geschichten, die auch diese Fantasie beflügeln. Vielleicht können im aktuellen Streik der Hollywood-Autor*innen ja ein paar solcher Ideen entstehen. Sonst bleibt uns, wie bei Döpfner und Co., vorerst nur die Hoffnung, dass mal ein Widerling an seiner eigenen Bösartigkeit erstickt.