Godmother of Women’s History
Aufgeblättert: »Die Entstehung des Patriarchats« von Gerda Lerner
Von Nane Pleger
Die Aktivistin und Wissenschaftlerin Gerda Lerner wurde gerne als »Godmother of Women’s History« bezeichnet. Sie ist eine Pionierin der Geschichtswissenschaft, die mit ihrem marxistisch-feministischen Blick auf die Vergangenheit die Frauengeschichtsforschung in den USA institutionalisiert hat. In ihrem 1991 erstmal auf Deutsch erschienenen Werk »Die Entstehung des Patriarchats« konnte sie nachweisen, dass Frauen die Geschichte der Menschheit aktiv geprägt haben. Das Buch argumentiert nachdrücklich, dass es ein Unterdrückungsmechanismus des Patriarchats ist, Frauen als passiv und unbeteiligt am gesellschaftlichen Geschehen zu imaginieren. Lerner zeigt, wie ein historisches Bewusstsein von Frauen und auch anderen marginalisierten Gruppen für ihre Emanzipation notwendig ist. Für die Autorin besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Herrschaft über Frauen und der Klassengesellschaft. In verständlicher Sprache schafft Lerner einen Zugang zum Bewusstsein, dass die Überwindung jeglicher Herrschaft notwendig ist für eine Gesellschaft, die alle Akteur*innen mitgestalten können. Wie aktuell ihre Perspektive auf Geschichtsschreibung ist, zeigt die Rezeption dieses Buches – nach Lerners Tod 2013 fanden ihre Forschungen im kollektiven Gedächtnis wenig Beachtung, ihr Werk war lange vergriffen, bis der Manifest Verlag das Buch kommentiert neu auflegte. Das Vorwort von Christine Thoma stellt Lerners Denken zudem in einen historischen Kontext und thematisiert aus heutiger Sicht auch Schwachstellen.
Gerda Lerner: Die Entstehung des Patriarchats. Mit einem Vorwort von Christine Thomas. Übersetzt von Walmot Möller-Falkenberg. Manifest, Berlin 2022. 325 Seiten, 16,90 EUR.