Ein anderes Landleben
Aufgeblättert: »Ungleiche Ländliche Räume« von u.a. Bernd Belina
Von Lukas Dörrie
Der sozial-ökologische Umbau erfordert eine starke emanzipatorische Bewegung auf‘s Land. Für diese These liefert der Band »Ungleiche ländliche Räume« viele gute Gründe. Die 25 Essays aus Perspektiven der kritischen Geografie, feministischen politischen Ökologie oder Soziologie analysieren das globale Phänomen »Ländlichkeit« und legen dessen vielschichtigen Ungleichheiten offen. Im Mittelpunkt der Ursachen stehen der industrielle Kapitalismus als Treiber der Zentralisierung, diskursive und romantisierende Reduktionen von Ländlichkeit zum Ausschluss »Anderer« und zur Verschleierung von Klassismus oder sexistische und rassistische Strukturen zum Beispiel durch einen patriarchal-dominierten Arbeitsmarkt. Die Beiträge spannen ein Feld von räumlichen Möglichkeiten für einen sozialen und ökologischen Umbau bis zur Gefahr von faschistischer Vereinnahmung. Es lassen sich daraus Aufgaben für eine mögliche emanzipatorische »Auf’s Land Bewegung« ableiten: Es braucht Orte der Begegnung, an denen gesellschaftliche Differenzen erst sichtbar werden und Teilhabe an Entscheidungsprozessen ermöglicht wird. Akteur*innen sollten Allianzen zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft eingehen und Regionalentwicklung sozial-ökologisch besetzen. Ähnlich dem »Recht auf Stadt«-Anspruch können Teilhabe-Formate auch eine Vergesellschaftung der Dörfer und Kleinstädte ergründen. Urbane und kollektive Lebens- und Arbeitsweisen können zur Überwindung von weißen Heteronormativitäten beitragen.
Bernd Belina u.a. (Hg.): Ungleiche Ländliche Räume. Widersprüche, Konzepte und Perspektiven. Transcript, Bielefeld 2022. 450 Seiten, 45 EUR (auch online open Access).