Schule der Ausbeutung
Aufgeblättert: »Sklaverei bilanzieren« von Caitlin Rosenthal
Von Johannes Tesfai
Die Historikerin Caitlin Rosenthal hat eine ungewöhnliche Geschichte des Kapitalismus vorgelegt. Sie versucht nachzuweisen, dass es nicht die Fabriken des frühen Kapitalismus waren, in denen sich moderne Managementtechniken, Ideen von Humankapital und Personalbuchführung entwickelten. Die Orte der Optimierung waren die Baumwoll- und Zuckerplantagen in der Karibik und Amerika, auf denen Tausende Versklavte schufteten. Dafür sichtete sie die Buchhaltungsunterlagen großer Plantagen.
Viele Plantagenbesitzer*innen führten Produktivitätsstudien durch, um noch mehr Gewinn aus den Versklavten zu pressen. Es kursierten Vordrucke, die den Pflanzer*innen die Buchhaltung auf den Plantagen erleichtern sollte. Zudem etablierten sich Konventionen, wie die Versklavten buchhalterisch abgeschrieben werden konnten. Gewalt und unternehmerisches Kalkül waren demnach in der Sklaverei untrennbar miteinander verbunden.
So unangenehm diese Schule der modernen Unternehmensführung für Propagandist*innen des heutigen kapitalistische Arbeitsmarktes sein dürfte, so normal war der positive Bezug von Manager*innen auf die Sklaverei noch um 1900. Rosenthals Buch bleibt aber eine akademische Studie; teils wiederholen sich Argumente. Die Autorin gibt einen guten Einblick in die Geschichte des Rechnens mit Menschen. Dass Rassismus gegen Schwarze hauptsächlich durch den transatlantischen Sklavenhandel entstand, erwähnt die Autorin nicht. So kann sie auch keine Verbindungen zwischen Leistungsideologien und noch wirkendem Rassismus finden.
Caitlin Rosenthal: Sklaverei bilanzieren. Herrschaft und Management. Übersetzung: Jörg Theis. Matthes & Seitz, Berlin 2022. 411 Seiten, 28 EUR.