Haben ist besser als brauchen
Wenn die Angst anklopft, sollte man vorbereitet sein
Von Carina Book
Ding, dong, klingelt es an der Wohnungstür. »Guten Tag, hier ist Ihre Angststörung, darf ich hereinkommen?« Ich werfe einen Blick auf die Twitter-Trends: Atomkrieg, Weltuntergang, Blackout. »Aber selbstverständlich«, antworte ich und lasse sie bereitwillig eintreten. Achja, da ist sie wieder. Hat seit ihrem letzten Besuch aber auch wieder ein bisschen zugenommen die Gute, denke ich, als die Angst im Flur steht.
»Zunächst würde ich gern mal einen Blick in Ihre Küche werfen«, sagt die Angst. Zwei Dosen Fruchtcocktail, vier Dosen Erbsen und Möhren, das ergibt zweimal Frühstück, zweimal Mittagessen, und mit ein bisschen Augen zudrücken auch noch zwei Abendessen.
»Immerhin haben Sie sechs Gläser Senf im Schrank. Sie haben von der Senf-Krise in Frankreich gehört?«, fragt die Angst. Aber natürlich. Schon im August waren die Senf-Regale im Dijon-Land leergefegt – das sollte mir nicht passieren! Haben ist besser als brauchen.
Die Angst händigt mir eine Einkaufliste vom Bundesamt für Katastrophenhilfe und Bevölkerungsschutz aus, sieht mich mit strengem Blick an und macht ein Kreuzchen bei »Erhebliche Mängel festgestellt« auf einem Abhakzettel, den ein großes gelbes Dreieck mit Totenkopf als Logo ziert. Oha, wir befinden uns also wirklich in der Dangerzone – das kann so nicht weitergehen.
»Wie ich sehe, heizen Sie Ihr Wasser mit einer Gastherme. Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie Sie das bezahlen wollen?«
»Wie ich sehe, heizen Sie Ihr Wasser mit einer Gastherme. Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie Sie das bezahlen wollen?« »Ja, ja klar«, sage ich. Ich eile in mein Badezimmer und präsentiere stolz meinen Wassersparduschkopf Marke hansgrohe Crometta 85 Green. »Damit komm ich auf sechs anstatt zehn Liter die Minute, hab es selbst nachgemessen!«, sage ich. Die Angst nickt mir zufrieden zu und notiert: »Putler gedribbelt.« Ok, wenn sie meint.
Im Wohnzimmer geht alles schnell. Kerzen: check. Batterien: check. Powerbanks: check. Doch dann fällt der Blick auf die schlecht isolierten, nur zweifach verglasten Fenster. »Über Fenster wie diese verlieren Sie bis zu vierzig Prozent der Wärme, die Sie sich mittels Fernwärme aus Steinkohle in die Wohnung pumpen. Bitte bringen Sie umgehend eine Thermofolie an. Mit ein bisschen doppelseitigem Klebeband und einem Fön ist das schnell gemacht.« Ja, wenn´s so einfach ist – why not.
»So Frau Book«, sagt die Angst. »Alles in allem kann ich ihnen ein Befriedigend ausstellen. Um Ihre Trinkwasserversorgung auch im Falle eines Blackouts sicherzustellen, habe ich Ihnen vierzig Liter Wasser vor die Tür gestellt. Am besten lagern wir diese gleich sofort ein.« Puh, das war´s schon, denke ich. »Ich bringe Sie noch zur Tür«, sage ich. Gemeinsam schleppen wir die vierzig Liter Wasser in den Keller und ich verabschiede sie etwas außer Atem: »Vielen Dank für Ihren Besuch, bis zum nächsten Mal!«