Klappe auf!
Aufgeblättert: »Empowerment und Widerstand« von Marion Kraft
Von Julia Ingold
Die US-Amerikanerin Audre Lorde (1934–1992) war nicht nur eine Schwarze, lesbische Dichterin und Aktivistin, sondern auch eine Theoretikerin des Widerstands marginalisierter Stimmen. »Your silence will not protect you« ist wohl ihr meistzitiertes Schlagwort, und es trifft ihre Botschaft genau: Schweigen ist eine paradoxe Reaktion auf Diskriminierung, denn die Gewalt ist ohnehin da. Wer sich nicht wehrt, wird nie etwas an der eigenen Situation ändern. Wer aufbegehrt, handelt solidarisch und spricht außer für sich für viele weitere Betroffene. Lorde wurde nicht müde, ihre Zugehörigkeit zu intersektional diskriminierten Gruppen zu betonen. Es geht ihr darum, von strukturell bedingten individuellen Gewalterfahrungen zu kollektivem Widerstand zu finden. Ihre Berliner Freundin, die afrodeutsche intersektionale Feministin und Literaturwissenschaftlerin Marion Kraft, hat ein Buch zusammengestellt, das Lordes Einfluss auf den Schwarzen Feminismus in Deutschland gewidmet ist. Kraft ist 1946 als Kind eines afroamerikanischen US-Soldaten in Gelsenkirchen geboren. Sie greift die von der US-amerikanischen Gesellschaft geprägte aktivistische Theorie Lordes auf und macht sie für den Umgang mit dem historisch anders beschaffenen Rassismus hierzulande fruchtbar. Auch sie betont immer wieder: Klappe auf! Aus diesem Buch, das einen zweistimmigen Kanon enthält, können wir nicht nur für antirassistische Praxis in Deutschland viel lernen.
Julia Ingold
Marion Kraft: Empowerment und Widerstand. Inspirierende Begegnungen mit Audre Lorde. w_orten & meer, Hiddensee 2021. 209 Seiten, 11 EUR.