analyse & kritik

Zeitung für linke Debatte & Praxis

|Thema in ak 677: Wir haben Geburtstag!

Was machen wir hier eigentlich

Nach 50 Jahren ak braucht es uns immer noch – doch wofür und für wen genau?

Von ak-Kollektiv

Fünf Leute in komischen Putfits und mit Maske sitzen auf einer Bank in einem sehr schönen Garten (der eine hat eine ak-Ausgabe vorm Gesicht)
Schritt für Schritt ins Paradiso? I never promised you a rosegarden? Was wir uns beim Zeitungmachen denken, erfahrt ihr unten. Foto: ak

Fünfzig Jahre, ein halbes Jahrhundert, analyse & kritik aka Arbeiterkampf aka eure monatliche Lieblingszeitung – günstiger könnte der Anlass für diesen Text kaum sein. ak gehört mittlerweile zu den alten linken Zeitungsprojekten in der Bundesrepublik, und runde Geburtstage eignen sich bestens, darüber nachzudenken, was wir – das ak-Kollektiv – eigentlich machen, warum wir es machen und für wen.

Dabei ist in den letzten Jahren einiges passiert, nicht nur in der Weltgeschichte, auch bei ak. Im Sommer 2020 hat der letzte ehemalige KBler die Redaktion verlassen und das Fortbestehen dieses, auch seines Zeitungsprojektes vertrauensvoll in unsere Hände gelegt – ihr ahnt es: Keines der aktuellen Redaktionsmitglieder ist über 45 und damit alt genug, um noch einer K-Gruppe angehört zu haben, im Gesamtkollektiv besteht diese Kontinuität erfreulicherweise fort. 

Die Themen, die ihr heute in ak lesen könnt, sind zum Teil dieselben wie schon vor 50 Jahren: Antifa, Streiks, linke Geschichte, Kämpfe und Krisen außerhalb der BRD. Allerdings haben sich die konkreten Inhalte mit den aktuellen Entwicklungen (Klimawandel, Pandemie, die globale Revolte von 2019, Black Lives Matter usw.) sowie dem Aufkommen neuer Theorien und Debatten allein in den letzten zwei Jahren teils deutlich verschoben.

Wo also stehen wir? Wie verorten wir uns als ein linkes Zeitungsprojekt unter vielen, und wo wollen wir hin? 

Los geht’s!

Wir wollen mehr als klassischen Journalismus machen, der behauptet, neutral, objektiv oder unparteiisch zu sein. Für ak gilt das Gegenteil: Wir möchten den Kapitalismus überwinden und das Patriarchat abschaffen, wir hassen die Polizei und glauben, dass Rassismus nicht einfach mit mehr Diversity in Behörden und Aufsichtsräten beendet werden kann. Wir sind eine linke Zeitung, aber über den inhaltlichen Minimalkonsens hinaus (scheiß Kapitalismus, scheiß Patriarchat, scheiß Rassismus, scheiß Bullen, scheiß Nazis) ist bei uns nicht jedes »links« gleich gewichtet oder uns gleichermaßen wichtig. 

Wir sind zum Beispiel eher bewegungs- als parteiorientiert, eher an Selbstorganisierung interessiert als an Sozialpartnerschaft. Wir debattieren nicht, ob die EU mehr »Souveränität« und Aufrüstung braucht, ob trans Frauen Frauen sind und ob mit Rechten geredet werden sollte. Quotenfragen interessieren uns jenseits der Autor*innenschaft in unserer Zeitung nur wenig – und das unterscheidet ak nicht nur von anderen linken Medienprodukten. Es spiegelt sich auch in unserer Themensetzung wider, die stark auf solche Entwicklungen, Proteste, Debatten und Theorien gerichtet ist, die Widersprüche beschreiben und aufbrechen und sich auf die vorgegebenen engen Bahnen der Konfliktaustragung nicht einlassen. 

Unsere Zeitung trägt die »Analyse« im Namen, erhebt also den Anspruch, soziale Verhältnisse und Zustände nicht nur zu beschreiben, sondern sie auch begreifbar zu machen und damit ihre Überwindung denken zu können. Nicht immer gelingt uns das so, wie wir es gerne hätten. Beispielsweise wird auch in ak zu oft zu oberflächlich mit den gerade besonders beliebten Theorieschablonen herumhantiert und zu selten der bekannte linke Theorie-Kanon verlassen. 

Das bedeutet – ein Vorhaben für die Zukunft –, dass wir internationale linke Theorie- und Strategieentwicklungen genauer verfolgen werden und uns vornehmen, hier stärker als bisher eine Übersetzer*innenrolle einzunehmen. Dies ist auch einer der Schlüsse, die wir aus den vielen Revolten und Aufständen gezogen haben, die im Jahr 2019 kulminierten und die wir intensiv verfolgt haben. Diese Bewegungen haben Erfahrungen gemacht, die bei Linken in der BRD kaum angekommen sind – eine solche Provinzialität schadet und macht selbstbezogen. Wir wollen mithelfen, das zu ändern. 

Apropos: Schon jetzt beschäftigt sich ein relevanter Teil unserer Zeitung mit internationalen Entwicklungen, allerdings geht es uns auch hier um mehr als »Berichterstattung«. Wir verstehen uns als internationalistisch in dem Sinne, dass ak erstens nicht einfach »Tatsachen« über die Welt weitergibt, sondern den Fokus auf Bewegungen, Selbstorganisierung und Emanzipation legt. Zweitens bedeutet das, gerade als deutsche Zeitung, immer wieder zu fragen, wie sich imperialistische und neokoloniale Verhältnisse konkret darstellen und wie sie bekämpft werden können. Drittens möchten wir nicht einfach »über« etwas, das anderswo geschieht, schreiben, sondern auch hier involvierte Aktivist*innen als Autor*innen oder Interviewpartner*innen ins Blatt bringen.

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Mehr als Debatte

Wie gesagt: Nicht alles, was sich links nennt, ist uns gleichermaßen wichtig, nicht jede Debatte findet bei uns statt. Und doch versteht sich ak als strömungsübergreifend und nicht-sektiererisch, denn innerlinke (Interessens-)Konflikte und widerstreitende Positionen darf und muss es geben – auch unser Redaktionskollektiv ist nicht homogen. Wir kommen aus unterschiedlichen linken Traditionen, das zeigt sich auch in unseren Diskussionen. Anders als zu Beginn und auch noch vor 15 Jahren, als ak Teil des IL-Prozesses war, stehen wir heute keiner Gruppe oder Organisierung besonders nahe, weder in der Redaktion noch in der Autor*innenschaft. Wir möchten unterschiedliche linke Positionen – im besten Falle – miteinander in einen produktiven Austausch bringen.

Manchmal ist davor allerdings noch ein Schritt nötig, manchmal bedeutet das für ak, zunächst einmal als Bindeglied zu fungieren, zum Beispiel zwischen der Klimastreikenden, dem Migrantifa-Aktivisten, der Kollegin aus dem Krankenhaus, dem Alt-Autonomen und der Ex-KBlerin – sie begegnen sich mitunter nicht in ihrem politischen Alltag, aber lesen ak und schreiben bei uns. Wir haben es – anders als manch andere linke Zeitung – geschafft, alte Leser*innen und Autor*innen zu halten und neue zu gewinnen. Das macht uns stolz, und das verstehen wir als Auftrag. In ak können Menschen, die in ganz unterschiedlichen sozialen Bewegungen aktiv sind und die anderswo nicht oder selten zu Wort kommen, voneinander erfahren und hoffentlich noch mehr Gemeinsamkeiten finden als das ak-Lesen. Dass das Voneinander-Erfahren nicht immer konfliktfrei geschieht und auch Irritationen hervorruft, wissen wir auch aus euren Leser*innenbriefen.

Nicht alles, was sich links nennt, ist uns gleichermaßen wichtig, nicht jede Debatte findet bei uns statt.

Was bedeutet darüber hinaus »produktiver Austausch«? Noch nie wollte ak einfach ein publizistisches Spiegelbild von Bewegungen sein. Den Wunsch, darüber hinauszugehen, haben ak-Kollektive vor uns bereits auf den Begriff des »Gebrauchswertes« gebracht: ak solle Teil der Bewegung sein, die die Verhältnisse umwerfen wird, die Zeitung solle einen Gebrauchswert für politisch aktive Linke haben. Das meint zum Beispiel, Debatten nicht einfach konsequenzlos als Pro und Kontras abzubilden, sondern auch, in sie – oder mit ihnen assoziierte Organisierungsprozesse – einzugreifen und sie mitzugestalten. Gelungen ist uns dies zuletzt bei einigen Arbeitskämpfen, die 2020 und 2021 viel Raum in ak einnahmen, ebenso wie bei einigen feministischen Themen. Bezüglich der uns überlebenswichtig erscheinenden Strategiedebatten der Klimabewegung hingegen müssen wir beispielsweise bilanzieren, dass diese noch zu wenig in ak stattfanden. Und bei einigen Themen können wir nur ehrlich zugeben, uns im Wesentlichen vor ihnen gedrückt zu haben; das gilt etwa für die Entwicklungen in und um die Linkspartei oder den Nahostkonflikt.

Eine weitere Leerstelle ist die Verbindung von Gegenwart und Zukunft: Häufig hören wir von euch Leser*innen, dass die Behandlung der Gegenwart in ak zu düster ausfällt. Auch wenn wir – etwa durch die Reihe zur Planwirtschaft – zuletzt Anstrengungen unternommen haben, etwas mehr Utopie ins Blatt zu holen, ist hier noch Luft nach oben. Insbesondere bei der Frage, welche Wege und Strategien aus der düsteren Gegenwart in eine Zukunft, wie wir sie uns vorstellen, führen können. 

Danke!

Über all das Beschriebene hinaus wollen wir aber auch eine informative und ansprechend gestaltete Zeitung machen, eine Zeitung, die linke Menschen gerne lesen, die unterhaltend, anregend und herausfordernd ist, die Schönes und Unerwartetes bietet. In der Unterhaltung liegt nicht gerade unsere Stärke, den dafür vorgesehenen Gesellschaftsteil zu füllen, ist oft ein Krampf – ein weiteres unserer Vorhaben für die kommende Zeit lautet daher, diesen Teil der Zeitung aufzumotzen. Im Bereich der Illustrationen und Grafik, selbst eine Form politischen Ausdrucks, haben wir dagegen schon aufgeholt und nun häufiger Beiträge von Illustrator*innen.

Zum Nachdenken über die Zukunft gehört auch die Ahnung, dass es ak in der jetzigen Form nicht noch weitere 50 Jahre geben kann. Entweder, weil sich die Erde in einen unwirtlichen, lebensfeindlichen Ort verwandelt haben wird, in dem auf Papier Gedrucktes zum dekadenten Luxus geworden ist. Oder aber, das hoffen wir, und dafür arbeiten wir, da es eine Zeitung für linke Analyse, Kritik und Debatte nicht mehr brauchen wird, weil die Menschen frei sind – auch frei davon, gegen die Verhältnisse kämpfen zu müssen. Vielleicht steht ak dann für das schöne Leben und den Genuss – Aufbruch und Kommunismus zum Beispiel. Oder Alltag und Kochen.

Bis dahin wird unser Kollektiv weiter bestehen. Zu diesem Kollektiv gehören neben den Redaktionsmitgliedern die Layouter*innen, Grafiker*innen und Illustrator*innen, die Korrekturleser*innen, Vertriebskolleg*innen und Buchhalter*innen. Und natürlich gehört auch ihr, unsere Leser*innen, Freund*innen und Unterstützer*innen, zu uns. Ohne euch gäbe es gar keine ak, die Geburtstag feiert. In diesem Sinne: Danke und Happy Birthday uns allen!

Thema in ak 677: Wir haben Geburtstag!

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