Wer profitiert vom »Corona-Boom«?
Von Lene Kempe
Man hat es schon quälend oft gehört: dass die Corona Pandemie hierzulande Gewinner*innen und Verlierer*innen produziere – auch auf Unternehmensseite. Aber wer sind eigentlich die Corona-Shootingstars? Online-Shops, der Lebensmittelhandel, Hygieneprodukte-Hersteller, Lieferdienste, Videokonferenzanbieter oder Paketzusteller – sie alle profitieren von dem, was im Wirtschaftsjargon »Sonderkonjunktur« heißt: Vom gestiegenen oder neu entstandenen Bedarfen nach bestimmten (digitalen) Dienstleistungen oder Produkten. So gehörte der Lieferdienst Delivery Hero eine Zeit lang zum größten Gewinner im Dax. Gründer und Konzernchef Niklas Östberg durfte sich im vergangenen Jahr über ein Einkommen von 45,7 Millionen Euro freuen. Glückwunsch.
Besonders profitiert haben auch weite Teile des der Medizin- und Pharmabereichs. Das Virus verhalf Unternehmen wie BioNTech oder dem Beatmungsgerätehersteller Drägerwerk, Herstellern von Desinfektionsmitteln oder von Gesundheitsapps zum Durchbruch.
Nicht alle Unternehmen profitierten aber direkt von der Pandemie, einige haben schlicht trotz Corona ein gutes Geschäftsjahr hinter sich. Dazu zählt hierzulande der Großteil der Exportindustrie, namentlich die Automobil-, Chemie- und Elektroindustrie und der Maschinenbau. Neben üppiger staatlicher Unterstützung etwa durch Kurzarbeitergeld oder Kaufprämien für E-Autos haben viele Exportbetriebe auch von der anhaltenden Auslandsnachfrage profitiert – insbesondere aus China, wo ein harter Lockdown das Infektionsgeschehen schneller als anderswo unter Kontrolle brachte. Und aus den USA, wo Präsident Trump die heimische Wirtschaft praktisch ungehindert weiterlaufen ließ. Industrieproduktion und Welthandel waren schon im letzten Winter wieder auf Erholungskurs.
Die großen Autobauer VW, BMW und Daimler, die ihre Gewinnerwartungen für 2021 allesamt klar nach oben korrigiert haben (Daimler erwartet sogar Rekordumsätze), profitierten dank Kurzarbeit und Stellenabbau aber auch von niedrigeren Personalkosten.
Für alle 30 Dax-Konzerne gilt letztlich: das Geschäftsjahr 2020 war ein verhältnismäßig gutes Jahr. Zwar verzeichneten die Unternehmen bis zu 50 Prozent Gewinnrückgang gegenüber 2019. Allerdings: Gewinn nach Steuern, Zinsen und Einmalaufwendungen. Brutto waren es laut Handelsblatt nur 3,9 Prozent weniger. Viele Unternehmen nutzten die Krise für milliardenschwere Abschreibungen. Der Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer beispielsweise, dessen Bilanzen durch Corona-bedingte Einbußen beim Verkauf von Biokraftstoffen, vor allem aber durch Rückstellungen für die Glyphosat-Klagen in den USA belastet sind.
Zu den ewigen Gewinner*innen – Pandemie hin oder her – zählen auch Immobilienkonzerne. »The billionaire class has a love affair with real estate«, witzelte deshalb bereits im letzten Jahr der Billionaires Report. Vonovia, Deutschlands größter Immobilienkonzern, erzielte 2020 den höchsten Nettogewinn seiner Geschichte. Kein Wunder: Immobilienpreise und Mieten kennen schon seit Jahrzehnten nur den Weg nach oben. Günstige Kredite haben den Trend beschleunigt. Der gefallene Mietendeckel war da wohl nur noch das Sahnehäubchen.
Und die Verlier*innen? Zu ihnen zählen das Hotel- und Gaststättengewerbe, die Kulturbranche, Soloselbstständige, aber auch die kleineren und mittelständischen Automobilzulieferer. Überraschender dürfte sein, dass auch im Medizinbereich viele Unternehmen Verluste eingefahren haben. Fresenius Medical Care zum Beispiel, die Produkte und Dienstleistungen für Menschen mit Nierenerkrankungen anbieten. Viele Dialysepatent*innen starben an schweren Verläufen einer Covid-19-Erkrankung.
Die zynische Folge: weniger Nachfrage für das Unternehmen und ein sinkender Aktienkurs. Aber auch im Bereich der Medizintechnologie verbuchten insbesondere kleinere Unternehmen 2020 Verluste. Negativ wirkte sich vor allem die Verschiebung von nicht lebenswichtigen Operationen aus. Die Nachfrage im Implantate-Bereich sowie für OP-Produkte und OP-Sets ging in der Pandemie deutlich zurück. Laut Unternehmensberatung Roland Berger gäbe es aber auch Anlass zur Hoffnung für die Branche: Zum einen verbessere die angespannte Lage in anderen Industrien den Zugang zu qualifizierten Arbeitskräften wie Ingenieur*innen. Zum anderen erwarteten die Unternehmen allgemein eine steigende Nachfrage nach medizintechnischen Lösungen in der medizinischen Versorgung. Der Grund: der dramatische Personalmangel in Krankenversorgung und Pflege.