Legalisierung jetzt!
Undokumentierte Beschäftigte organisieren sich in Berlin
Von Peter Nowak
Legalización ahora!«, skandierten einige Dutzend Personen am 24. Februar vor der Senatsverwaltung für Bildung am Berliner Alexanderplatz. Es sind Menschen ohne Papiere sowie ihre Unterstützer*innen, die das Recht auf Bildung für alle in Berlin lebenden Menschen einfordern. Während in den letzten Wochen viel über die Vor- und Nachteile von Homeschooling und Präsenzunterricht unter Corona-Bedingungen diskutiert wird, bleibt meistens ausgeblendet, dass Kindern von undokumentiert in Berlin lebenden Menschen das Recht auf Bildung oft vorenthalten wird. »Wir haben ein Schulbesuchsrecht in Berlin, aber viele Bezirksämter setzen das nicht um«, kritisiert ein*e Vertreter*in der Kampagne »Legalisierung Jetzt!« Zudem würden viele Schulleitungen auf die Vorlage von Dokumenten bestehen und so die Anmeldung illegalisierter Kinder oft aus Unwissenheit verhindern.
Das im Herbst 2020 gegründete Bündnis von über 50 migrantischen Organisationen fordert die vollständige Legalisierung aller 60.000 bis 100.000 in Berlin lebenden Personen ohne Aufenthaltserlaubnis. Die Zahlen gehen so weit auseinander, weil es keine exakten Untersuchungen gibt. Natürlich wollen die Betroffenen nicht auffallen, weil jede Polizeikontrolle auf der Straße oder im öffentlichen Nahverkehr ihre Abschiebung bedeuten kann. Meist ist auch das Einklagen oder Erkämpfen von Rechten schwerer, wenn immer die drohende Abschiebung mit im Raum steht. Das betrifft Lohnforderungen ebenso wie das Recht auf Bildung oder Gesundheit. Diese Probleme haben sich unter Pandemiebedingungen noch einmal verschärft.
Anna Kimani von der Gruppe »Respect«, die ein zentraler Bestandteil des Legalisierungs-Bündnisses ist, berichtete über die besondere Betroffenheit von in Berlin lebenden Frauen ohne Papiere. Viele von ihnen hätten vor ihrer Flucht in ihren Heimatländern Krieg, Verfolgung aufgrund von sexueller Orientierung und andere Formen von Gewalt erlebt. »Wenn wir nach Europa kommen, tragen wir ein Trauma von unseren Erfahrungen und von der Reise selbst mit uns. Wir tendieren dazu, in Angst und Isolation zu leben, und vermeiden es, außerhalb unseres unmittelbaren Umfelds Hilfe zu suchen, aus Angst vor Denunziation und Abschiebung«, erklärt Kimani.
Bereits am 25. April 2020 hatte »Respect« einen digitalen Aktionstag für die Forderung nach einer sofortigen Legalisierung organisiert und auf die Situation der migrantischen Beschäftigten in der Hausarbeit aufmerksam gemacht. Auf der Webseite der Organisation berichteten in Deutschland lebende und arbeitende Frauen aus verschiedenen Ländern in Form von Text- und Audiobeiträgen über ihre Lebenssituation. »Wir gehen gerade alle durch einen sehr schwierigen ökonomischen Moment, denn wir leben von der täglichen Arbeit, um unser Zimmer zu bezahlen und um uns mit Essen zu versorgen und, in meinem Fall, auch, um meine Tochter zu versorgen«, schreibt eine der betroffenen Frauen in einem Bericht, den die Organisation als Teil der digitalen Sammlung veröffentlicht hat. Zum Schutz der undokumentiert lebenden Menschen sind die Beiträge anonymisiert.
Der Berliner Senat will nicht zuständig sein
Die Forderungen von »Legalisierung jetzt« für alle in Berlin lebenden Undokumentierten richtet sie an den Berliner Senat, weil in der Stadt viele undokumentiert arbeitende Menschen wohnen und vor allem im Gastronomiebereich sowie in der Reinigungs- und Pflegebranche arbeiten – und weil es durchaus rechtliche Spielräume dafür auf Landesebene gibt, wie den Paragrafen 23.1 des Aufenthaltsgesetzes, der es den Landesbehörden erlaubt, aus humanitären Gründen Aufenthaltserlaubnisse zu erteilen.
Neben dem Recht auf Bildung ist der vollständige Zugang zur Gesundheitsversorgung ein wichtiger Punkt für die Kampagne. »Wir fordern, dass sich Politik und Behörden dafür einsetzen, dass illegalisierte Menschen Zugang zum Covid-19-Impfstoff haben und die Gesundheitsversorgung durch eine anonyme Krankenkassenkarte gewährleistet ist«, erklärt Amarilis Tapia, eine der Aktivistinnen von »Legalisierung jetzt!« Sie lässt auch die Argumente des Berliner Innensenats nicht gelten, der sich für nicht zuständig erklärt und auf die Bundesregierung verweist. »Auch wenn das Innenministerium unter Seehofer blockieren könnte, sollte die Berliner Regierung doch zumindest Handlungswillen für die Rechte der Illegalisierten zeigen«, entgegnet Tapia. Im Mai will die migrantische Selbstorganisation erneut mit ihren Forderungen nach sofortiger Legalisierung aller in Berlin lebenden und arbeitenden Menschen auf die Straße gehen. Sie wollen den Berliner Senat und die ihn tragenden Parteien SPD, GRÜNE und Linke an ihren Anspruch erinnern, für die Menschenrechte einzutreten.