Gewaltförmiges in Tonaufnahmen
Aufgeblättert: »Kolonialgeschichte hören« von Anette Hoffmann
Von Peter Nowak
Historische Sprachaufnahmen, die während der kolonialen Herrschaft in afrikanischen Ländern aufgenommen wurden, spielten in der Debatte um die koloniale Vergangenheit bisher kaum eine Rolle. Die Kulturwissenschaftlerin Anette Hoffmann hat nun eine Pionierarbeit geleistet. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit stehen acht Tonbandaufnahmen, die der österreichische Anthropologe und Arzt Rudolf Pöch bei der kolonisierten afrikanischen Bevölkerung machte. Der noch immer im Hof der Wiener Universität mit einem Denkmal Geehrte hatte einen Teil seiner Sammlung in Afrika durch Raub erlangt. Pöch stahl nicht nur Grabutensilien, sondern auch Gebrauchsgegenstände der afrikanischen Bevölkerung. Das konnte Hoffmann durch die Analyse einer Tonaufnahme nachweisen, in der einer von Pöchs afrikanischen »Helfern« sein Messer zurückforderte, das ihm Pöch abgenommen hatte. Die Autorin konnte Pöch in mehreren Fällen ungenaue bis falsche Angaben über seine phonografischen Aufnahmen nachweisen. Zudem beschreibt Hoffmann die gewaltförmigen kolonialen Hintergründe von Pöchs Forschungen, die sich auch in den Aufnahmen niederschlagen. Sie schreibt über »die Brutalität der Beschaffung von Objekten«, von »der Angst und dem Ärger der SprecherInnen«, die auf den Tondokumenten zu hören sind. Das ansprechend gestaltete Buch ist eine Anregung, die in den Archiven vorhandenen Tondokumente als Teil der Kolonialgeschichte zu begreifen.
Anette Hoffmann: Kolonialgeschichte hören. Das Echo gewaltsamer Wissensproduktion in historischen Tondokumenten aus dem südlichen Afrika. Mandelbaum Verlag, Wien 2020. 172 Seiten, 22 Euro.