Was eine Tesla-Fabrik in Brandenburg mit dem Putsch in Bolivien zu tun hat
Und was man sonst noch über die angeblich grünen Elektroautos wissen sollte
Von Paul Dziedzic
Das Elektroauto ist im Kommen. Für viele Akteure in Politik, Industrie und Gesellschaft symbolisiert die E-Mobilität einen Neuanfang – und zwar entlang der gesamten Produktionskette. Rohstoff produzierende Länder erhoffen sich eine neue und konstante Einnahmequelle und vielleicht etwas mehr vom Kuchen, Arbeiter*innen werden moderne und gut bezahlte Jobs versprochen – und für Konsument*innen winkt ein gutes Gewissen.
Mittlerweile haben in Deutschland über 320.000 Menschen einen staatlichen Zuschuss für ein Hybrid- oder Elektroauto, den sogenannten Umweltbonus, beantragt. Die großen Automobilhersteller bieten Modelle in allen Preissegmenten. Der Staat greift aber nicht nur den Autokäufer*innen unter die Arme – auch den Automobilkonzernen winken kräftige staatliche Subventionen, die ihnen bei der Expansion ihrer Elektroauto-Flotten helfen sollen.
Die Automobilindustrie steht am Anfang eines umfassenden Umbruchs, bei dem vor allem ein Rohstoff im Zentrum steht: Lithium, das »weiße Gold«. Derzeit ist die Nachfrage nach Lithium, das für die Batterieproduktion benötigt wird, um ein vielfaches höher als das Angebot. Oftmals sind die Minen noch nicht gebaut und bräuchten Jahre, bis sie profitabel sind. Zudem sind die Rohstoffreserven auf viele Regionen der Welt verteilt.
Die neue alte internationale Arbeitsteilung
»Wir putschen gegen jeden, wann immer wir wollen«, schrieb Tesla-Chef Elon Musk im Juli auf Twitter – und bezog sich damit auf den rechten Quasi-Staatsstreich gegen die Linksregierung von Evo Morales in Bolivien im Jahr zuvor. Musks Unternehmen hat Probleme, sich die Versorgung mit Lithium zu sichern. Der Elektroauto-Konzern Tesla hat diesbezüglich viel Konkurrenz, auch aus Deutschland. Doch die Bundesregierung setzt nicht unbedingt darauf, nur deutsche Automobilunternehmen zu unterstützen, sondern betreibt Standortpolitik. So hilft sie bei der Suche nach Vertragspartnern für Lithiumhydroxid, einen der Grundstoffe für die Batterieproduktion, kräftig mit.
Einer dieser Partner sollte eigentlich Bolivien werden – bis die Regierung dort, noch unter Evo Morales, den Deal vergangenen November platzen ließ. Die Hoffnung der bolivianischen Regierung war, in der internationalen Arbeitsteilung besser dazustehen als viele andere Rohstoff exportierende Länder. So erwartete sie von ausländischen Firmen einen Technologietransfer und Unterstützung beim Aufbau einer eigenen Lithium-Batteriezellenproduktion und betreibt eigene Forschung dafür. (ak 620) Boliviens neue linke Regierung unter Luis Arce wird versuchen, an diese Vorhaben anzuknüpfen.
Doch das ist riskant. Denn was passiert, wenn sich die relativ wichtige Rolle Boliviens ändert, weil neue Vorkommen anderswo gefunden werden? Die Anbindung an den Weltmarkt und somit den Wettbewerb ist auch keine gute Nachricht für die Minenarbeiter*innen des Salar de Uyuni, jenes Salzsees, aus dem das Mineral geschöpft wird. Denn die Strategie des Extraktivismus, also das Primat von Rohstoffen in Wirtschaft und Gesellschaft, hat bisher nur wenigen Ländern gut getan. Wer allzu sehr auf Rohstoffe setzt, geht ein großes Risiko ein: Rohstoffpreise sind sehr volatil; es gibt praktisch keine Mine, die keinen negativen Effekt auf Umwelt und Arbeiter*innen hat; es kommt zu Verteilungskonflikten um Wasser, und nicht zuletzt drohen politische Konflikte mit internationaler Einmischung.
Im Gegensatz zu den Nachbarländern Chile und Argentinien, die auf den Privatsektor setzen, konnte die Gewerkschaftsbewegung in Bolivien die strategische Ausrichtung mitbestimmen. Wenn also ein US-Konzernchef, der zu viel Zeit auf Twitter verbringt, sagt, sie (wer auch immer das ist) könnten putschen, gegen wen sie wollten, dann macht er deutlich, dass altbewährte Mittel weiterhin als legitim angesehen werden, um die internationale Arbeitsteilung und deren Profite zu sichern – koste es, was es wolle. Nicht nur kann Tesla keine verlässliche Lithiumversorgung für die Produktion von Millionen Elektroautos garantieren, auch weiter oben in der Wertschöpfungskette sieht es nicht rosig aus. Nur Monate, nachdem das Bundeswirtschaftsministerium bekannt gab, Deutschland solle mithilfe von Subventionen zum Lithium-Batteriestandort werden, wurde bekannt, dass Tesla eine große Fabrik in Brandenburg bauen wollte. Politik und Medien waren hellauf begeistert. Doch wussten sie, wen sie sich da eingeladen hatten?
Arbeiten bei Tesla ist kein Spaß – auch wenn das Unternehmen gern Gegenteiliges behauptet.
Arbeiten bei Tesla ist kein Spaß – auch wenn das Unternehmen gerne Gegenteiliges behauptet. Arbeiten bei Tesla bedeutet Überstunden, eine hohe Verletzungsgefahr und eine feindselige Haltung gegenüber der Organisierung der Arbeiter*innen. Dafür aber, so Tesla, würde man die Welt retten. 2019 urteilte ein Gericht in den USA, Musk habe Arbeiter*innen gedroht, dass sie ihre Aktienoptionen verlieren, wenn sie einer Gewerkschaft beitreten. Während der Corona-Krise widersetzte sich die Firma der Anordnung des Bundesstaates Kalifornien, die Produktion zur Sicherheit der Arbeiter*innen für einige Zeit zu stoppen. Konsequenzen gab es nicht, das Werk blieb offen.
All diese Verstöße vergrößern den Mythos Tesla in den Augen von Silicon-Valley-Fans. Denn gefeiert wird, wer gegen Regeln verstößt und stattdessen eigene schreibt und alles aufmischt. Dabei spielt es keine Rolle, dass der Regelbruch nur den Profiten von Tesla dient und nicht denen, die sie erarbeiten.
Die antistaatliche Rebellenpose hält Elon Musk nicht davon ab, großzügige Fördergelder zu beantragen. Das Unternehmen verdient nicht schlecht an staatlichen Subventionen – es gehört sogar zur Strategie, Standorte gegeneinander auszuspielen, um an diese Gelder zu kommen. Auch in Deutschland dürften nicht gerade wenige Steuergelder Richtung Tesla fließen. Zwar halten sich sowohl das Unternehmen als auch Behörden diesbezüglich noch bedeckt, aber Tesla dürfte sich auf eine Reihe an Subventionen beworben haben. Beim Regionalfonds für Brandenburg könnten es zwischen 100 und 270 Millionen Euro sein (der mögliche Förderbetrag orientiert sich an der Investitionssumme), das Land würde dann sogar 50 Prozent der Ausbildungsförderung übernehmen; vom EU-Fonds für »Projekte im gemeinsamen europäischen Interesse« könnten sogar bis zu 3,2 Milliarden Euro an Tesla fließen und zuletzt auch Gelder aus den Bundesfonds für Lithium-Batterien.
Der nette Autobauer von nebenan?
Das Abgreifen von Fördergeldern ist nicht nur bei Tesla gängige Praxis, sondern auch bei vielen anderen Autoherstellern. Und hier wie dort gilt: Beim ersten Anzeichen von Krise stehen stets Entlassungen an – Subventionen hin oder her. Der einzige Unterschied zwischen Musks Unternehmen und den traditionellen deutschen Autoherstellern ist, dass Tesla mit modernster Technologie aufwarten kann und in Sachen Elektroautos tatsächlich den anderen voraus ist. Allerdings ist das Unternehmen in der Bringschuld: Derzeit ist Tesla an den Börsen der wertvollste Autohersteller der Welt – kann aber versprochene Produktionsziele und Deadlines nicht einhalten. Unter anderem darauf gründen also die schlechten Arbeitsbedingungen: den Druck der Aktionäre.
Angesichts der vielen staatlichen Gelder ist auch das öffentliche Interesse groß. Deshalb ist das Unternehmen in Deutschland etwas vorsichtiger, die Ablehnung von Gewerkschaften offen zur Schau zu stellen. Statt guten Arbeitsbedingungen bietet die Firma coole Gadgets wie moderne Büros, Fabriken und Firmenanteile, meist in Form von Aktienoptionen. Diese sind, wie bereits erwähnt, eine riskante Anlage. Auch bei der Gesellschaftsform achtet Tesla in Deutschland darauf, Organisierungsversuche der Arbeiterschaft so schwierig wie möglich zu gestalten. So steht die Befürchtung im Raum, Tesla habe – wie vorher schon Zalando – eine Europäische Gesellschaft (Societas Europaea, SE) angemeldet. In dieser Gesellschaftsform ist es schwieriger, einen Betriebsrat zu gründen.
Von der Mine bis zum Fließband – wo massiv investiert wird, sollte zumindest reguliert werden. Norwegen zum Beispiel führte eine »Tesla-Steuer« ein und beschränkte Steuervorteile beim Kauf von Elektroautos auf eine gewisse Gewichtsklasse, die unter dem liegt, was die meist schweren Luxusmodelle des US-Autobauers wiegen. Um noch weiterzugehen, müsste der Blick auch auf die Produktionszustände außerhalb des Landes gerichtet werden – sei es beim Abbau von Lithium in Bolivien, von Coltan im Kongo oder bei der Batterieproduktion in China. In all diesen Fällen sollten vor allem die Profiteure zur Verantwortung gezogen werden. Mit einer strengen Variante eines Lieferkettengesetzes könnte das sogar möglich sein. Denn die Akteure der Energiewende sind alles andere als Heilsbringer oder der nette Autobauer von nebenan.