Ein selbstkritischer Blick auf linke Eltern
Aufgeblättert: der Sammelband »Links leben mit Kindern«
Von Natalie Wagner
Dass die Care Revolution längst überfällig und das Private auch politisch ist, sind inzwischen kaum mehr Breaking News. Wie genau aber ein linkes Leben mit Kindern aussehen kann, in dem die Bedürfnisse aller Raum finden und solidarisch miteinander umgegangen wird, dazu sind noch viele Fragen offen. Denn, so ein Arbeitstitel des Blogprojekts der Herausgeber*innen: Die Theorie wischt der Praxis nicht den Arsch ab. (ak 643)
Einige euphorische, kreative, liebevolle und auch erschöpfte Perspektiven auf diese Praxis sind nun als Sammelband erschienen. Die vielfältigen Stimmen, die von ihren Erfahrungen mit den Widersprüchen eines linken Lebens mit Kindern erzählen, thematisieren das Scheitern genauso wie die verbindenden Momente. Dass dabei auch selbstkritisch über Szene-Erfahrungen geschrieben wird, ist wohl eine Stärke des Buches. So lautet eine These: »Paradoxerweise gilt in der linken Szene: Je weniger sich Menschen Kindern gegenüber solidarisch verhalten, desto stärker kritisieren sie die Kleinfamilie.« Aua. Aber (Selbst-)Kritik ist schließlich gerade im Kontext von Care-Arbeit ein wichtiger Ausgangspunkt für Veränderung.
Dass Kinder, Jugendliche und Alte in dem Buch nicht zu Wort kommen und Männer erst einen Anschub brauchten, um zum Thema zu schreiben, ist schade – wenn auch wenig überraschend. Hoffentlich ist der Sammelband also nicht das letzte Wort dazu, sondern ein Anstoß dranzubleiben.
Almut Birken, Nicola Eschen (Hg.): Links leben mit Kindern. Care Revolution zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Unrast, Münster 2020. 280 Seiten, 16 EUR.