Infokrieg für Russland
Das vom Kreml finanzierte Webportal RT Deutsch ist ein wichtiges Medium der rechten Gegenöffentlichkeit
Von Ulrich Peters und Theo Schneider
Neben ideologisch eingefärbten Agenturmeldungen und Alltagsnachrichten, bisweilen kruden und skurrilen Berichten sowie Russland-Reportagen finden sich auf dem Webportal RT Deutsch vor allem auch (extrem) rechte Protagonist_innen und Verschwörungsideologien.
»Den fehlenden Teil zum Gesamtbild« will RT Deutsch laut Selbstdarstellung zeigen. Man wolle »Stimmten zu Wort kommen lassen, die eine alternative, unkonventionelle Sichtweise präsentieren«, mit dem Ziel »eine Gegenöffentlichkeit herzustellen«, so der deutsche Ableger des russischen Auslandssenders RT (ehemals Russia Today). Dieses Credo beschreibt jedoch nicht nur den Versuch, sich in der deutschen Medienlandschaft zu etablieren. Es dient ebenso dazu, Kritik an der prorussischen Ausrichtung des vom Kreml finanzierten Senders, wegen der viele auf Distanz zu RT gehen, zu delegitimieren. Kritischen Stimmen begegnet Chefredakteur Ivan Rodionov dann gerne mit Aussagen wie: »Wäre es dann nicht logischer, wäre es nicht zweckdienlicher, sich mit RT Deutsch direkt auseinanderzusetzen? Wir sind dafür offen. Wir laden wirklich gerne Gäste mit allen Standpunkten und allen Perspektiven zu uns ein«.
Gestartet ist RT Deutsch, das seinen Sitz in Berlin-Adlershof hat, am 6. November 2014. Geleitet wird es von Rodionov. Insbesondere zum Höhepunkt der Auseinandersetzungen in der Ukraine und auf der Krim war Rodionov nicht nur bei Günther Jauch oder Michel Friedmann ein gern gesehener Gesprächspartner. Er ließ sich bereitwillig auch von dem Verschwörungsideologen Ken Jebsen in dessen Sendung KenFM zu RT Deutsch interviewen. Rodionov wurde 1965 in Moskau geboren und legte dort 1989 an der Staatlichen Fremdsprachenuniversität sein Diplom in den Fächern Germanistik und Anglistik ab. Anschließend war er u.a. für das Magazin Der Spiegel sowie die Fernsehsender ZDF und Vox tätig, bevor er in Russland zum Vizechef des TV-Senders Rossija 24 aufstieg.
Hinter diesem Sender steht Rossjia Sewodnija mit Sitz in Moskau. Das russische Staatsunternehmen wurde im Dezember 2013 gegründet, nachdem im selben Monat die bis dahin existierende staatliche Nachrichtenagentur RIA Nowosti durch Wladimir Putin per Erlass aufgelöst wurde. Diese sah darin einen weiteren Schritt in der immer umfangreicheren »Verschärfung der staatlichen Kontrolle in dem bereits stark regulierten Mediensektor«.
Zweifelhafte Interviewpartner_innen
Die russische Medienlandschaft wurde seit dem letzten Georgienkrieg tatsächlich immer stärker unter die Kontrolle des Kreml gestellt. Führende russische Politiker_innen, Militärs und Putin selbst sprechen in diesem Zusammenhang offen über die Medien als Waffe in einem Infokrieg und sehen sich mit einer modernen Nachrichtenfabrik bestens gewappnet, diesen erfolgreich zu führen. RT wird aus dem russischen Haushalt finanziert. Nach eigenen Angaben ließ sich der Staat den Sender fast 270 Millionen Euro kosten. 2017 sollen sogar noch einmal 17 Millionen draufgelegt worden sein. Neben diversen Agenturen, TV- und Radiosendern, betreibt Rossjia Sewodnija auch die Webportale RT Deutsch und Sputnik-News.
An beiden Portalen fallen neben einem kruden Mix aus Agenturmeldungen, Reiseberichten aus Russland und skurrilen Nachrichten vor allem zweifelhafte Interviewpartner_innen auf. Immer wieder kommen auch (Rechts-)Konservative, Verschwörungsideologen und extrem Rechte zu Wort – häufig ohne diese entsprechend vorzustellen. So berichtete Sputnik-News jüngst unter dem Titel »Zwischen Verschwörungstheorie und Realität: Wo ist das deutsche Staatsgold?« auffällig unkritisch über die »Holt unser Gold Heim!«-Kampagne von Peter Boehringer. Liest sich dieser Artikel eher wie ein Werbebeitrag zur Kampagne, verwundert es nicht, dass über den Initiator selbst nichts zu finden ist. Dass Boehringer nicht nur »Vermögensberater und Vorstand der Deutschen Edelmetall Gesellschaft«, sondern auch finanzpolitischer Sprecher der AfD in Bayern sowie deren Direktkandidat zur Bundestagswahl ist, wurde verschwiegen.
Dabei würden allein schon die Verbindungen der Edelmetall Gesellschaft als Schnittstelle zwischen konservativem und rechtem Milieu einigen Gesprächsstoff liefern. Im November 2015 verlieh diese den »Preis der Deutschen Edelmetall Gesellschaft« an einen prominenten Vertreter der Neuen Rechten: den Publizisten und »Gold-Experten« Bruno Bandulet, der im rechten verschwörungsideologischen Kopp-Verlag veröffentlicht.
Ein anderes aktuelles Beispiel ist ein halbstündiges Video mit dem Chef des neurechten Instituts für Staatspolitik, Götz Kubitschek, in der RT-Deutsch-Sendung »Der fehlende Part« mit Moderatorin Jasmin Kosubek. Ausgiebig wird dem rechten Ideologen und PEGIDA-Redner Raum gegeben, das derzeit vieldiskutierte rechte Pamphlet »Finis Germania« zu verteidigen. Das Buch ist in Kubitscheks Antaios-Verlag erschienen. Statt kritischer Nachfragen fungiert ModeratorIn Kosubek lediglich als Stichwortgeberin. Über 95.500 Aufrufe hatte das Video bereits.
»Querfront vom Feinsten«?
Dass solche Auftritte keine Einzelfälle sind, zeigt auch RT-Dauergast Christoph Hörstel. Der Verschwörungsideologe und Chef der rechten Kleinstpartei Deutsche Mitte konnte sich in der Vergangenheit zum Beispiel über »Migration als Waffe« auslassen, die bewusst gegen Deutsche eingesetzt werde. Demnach nutze Merkel diese im Rahmen ihrer »Hochverratspolitik« als »Ablenkungsmanöver«, um eine Konfrontation mit Russland vorzubereiten, so Hörstel. Kosubek fungierte auch hier wieder nur als wohlwollende Kommentatorin.
Viele Interviews bei RT Deutsch werden nach diesem Muster geführt. Vor allem prorussische Positionen werden offenbar gesucht. Wer die einnimmt, kann noch so krude Thesen vertreten. Neben diversen AfD-Politikern kommen allerdings regelmäßig auch immer wieder mehr oder weniger prominente Vertreter_innen der Linkspartei wie Sahra Wagenknecht oder Oskar Lafontaine zu Wort.
Beim englischsprachigen Format RT International sieht die Zusammensetzung der »Experten« und Interviewten nicht anders aus. Neben Jürgen Elsässer, Chefredakteur der Rechtspostille Compact, fällt vor allem Manuel Ochsenreiter auf. Er gibt nicht nur die extrem rechte Zeitschrift Zuerst! heraus, sondern betreibt auch ein in Berlin ansässiges Deutsches Zentrum für Eurasische Studien. Gegründet hat er es zusammen mit AfD-Politikern und dem polnischen Aktivisten Mateusz Piskorski. Letztgenannter sitzt in Polen seit Mai 2016 wegen des Vorwurfs der russischen Agententätigkeit in Untersuchungshaft. Auch er war ein gern gesehener Interviewpartner für RT.
Insofern überrascht dann auch nicht, dass der rechte Eurasien-Aktivist und Deutschrusse Jurij Kofner, der den Identitären nahesteht und einen pro-russischen Think Tank betreibt, für RT in diesem Jahr eine Dokumentation unter dem Titel »soft occupation« produziert hat. Kernaussage: Deutschland ist ein besetztes Land und ein Vasall der USA. Hierin kommen nicht nur bekannte Kreml-Apologeten wie Willy Wimmer oder Jürgen Elsässer und mehrere AfD-Politiker zu Wort, sondern mit Wolfgang Gehrcke und Alexander Neu sogar zwei Vertreter der Linksfraktion im Bundestag. »Querfront vom Feinsten«, bejubelt das Elsässer. Auch die AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt stört sich wenig an der Mischung von Links bis Rechts; sie präsentierte den Film auf ihrer Russland-Konferenz Mitte August in Magdeburg.
Leitmedium der Filterbubble
Wie erfolgreich das prorussische Propagandainstrument in Deutschland wirklich ist, lässt sich schwer messen. Die Beiträge erscheinen auf YouTube und der RT-Homepage und erreichen in sozialen Netzwerken eine beachtliche Anzahl von Menschen: 290.000 Personen folgen dem Webportal bei Facebook, 111.000 auf YouTube und 30.500 bei Twitter. Die Studie »The Kremlin’s Amplifiers In Germany« vom Juni 2017 kam zu dem Schluss, das RT Deutsch, Sputnik-News sowie ein vergleichbares russisches Portal in Deutschland innerhalb der sozialen Netzwerke zwar den etablierten Medien bei den Nutzerzahlen unterlegen sind, aber über die weitaus engagierteren User_innen verfügen. Dabei handelt es sich nicht nur um pro-russische Aktivist_innen sondern um auffällig viele »Unterstützer von extrem rechten und antimuslimischen Gruppen, vor allem der AfD«, so die Autor_innen. Insofern überrascht die Zusammensetzung und Themenwahl bei RT und Sputnik nicht, sondern erscheint vielmehr zielgruppenorientiert.
Überhaupt sollte bei RT Deutsch angesichts seiner Rolle als russisches Staatsmedium nicht von zufälligen Entwicklungen ausgegangen werden. Der Sender will nicht irgendeine »Gegenöffentlichkeit« herstellen oder eine »alternative, unkonventionelle Sichtweise präsentieren«, sondern eine ganz bestimmte: im Sinne des Kremls. Die russische Regierung machte bei der Gründung von Russia Today 2005 aus dieser Absicht auch gar keinen Hehl. Ziel war eine Aufpolierung des Ansehen Russlands im Ausland, aber auch – weniger offen geäußert – die Diskreditierung westlicher Institutionen und Staaten. Hierfür bedient man sich einer illustren Querfront, und es werden die absurdesten Verschwörungsideologien verbreitet, solange bestimmte Grundnarrative nicht infrage gestellt werden: Russland als Opfer einer Aggression des Westens, das militärisch nur reagiert, während Europa und die USA mit ihren liberalen Demokratie- und Moralvorstellungen im Chaos versinken.
Zwar kann es RT noch mit keinem der größeren Medien aufnehmen, ist aber mit dieser Reichweite in der rechten und verschwörungsideologischen Filterbubble eines der einflussreichsten Formate. Wird in diesen Kreisen an jeder Nachrichtenmeldung der verhassten »Lügenpresse« gezweifelt, lässt sich gleichzeitig die völlig kritiklose Weiterverbreitung von RT-Inhalten beobachten. Angesichts einer anhaltenden rechten und autoritären Formierung der Gesellschaft sollte die mittlerweile hohe Popularität von RT und Sputnik in bestimmten Kreisen nicht überraschen.
Anders als vielfach kolportiert waren die beiden Medien zwar nicht federführend im »Fall Lisa«, der erfundenen Vergewaltigung einer 14-jährigen Russlanddeutschen aus Berlin-Marzahn Anfang letzten Jahres. Subtilere Versuche zur Einflussnahme auf die Öffentlichkeit sind aber durchaus regelmäßig zu beobachten. Solange diese in einer überschaubaren rechten Gegenöffentlichkeit verharren, bleibt der Einfluss zwar begrenzt, aber nicht weniger gefährlich. Erst recht wenn einzelne Politiker_innen aus der Linken weiterhin bereitwillig mit diesen Propagandaschleudern zusammenarbeiten und sie damit aufwerten.